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Ein neues Selbstbild entwickeln mit Hilfe der Feldenkrais®Methode

Helga Bost

Vortrag in der Forschungswerkstatt des Symposiums „Feldenkrais und Forschung II“, Berlin, 23. Februar 2012 

1. Falldokumentation
Michael: inkompletter Querschnitt im Übergang Brust-Lendenwirbelsäule
 

Wie vielleicht einige von Euch wissen, arbeite ich schon seit mehr als zwanzig Jahren mit Michael, der im Alter von 29 Jahren nach einem Motorradunfall im Übergang zwischen Brust- und Lendenwirbelsäule einen inkompletten Querschnitt erlitt. Dabei waren die sensorischen Nervenbahnen mehr verletzt als die motorischen. 

Etwa sechs Wochen nach dem Beginn unseres gemeinsamen Arbeitens begann eine sehr aufregende Zeit: Alle Bewegungsangebote, die ich Michael in der Funktionalen Integration (FI) gab – und dabei wählte ich vor allem Grundbewegungsmuster –  wurden in sichtbare Bewegung umgesetzt. Allerdings konnte Michael die Bewegung noch nicht spüren. In einem ersten Feedback beschrieb er einen „inneren Schauer“: das war also die erste sensorische Wahrnehmung unterhalb seines Querschnitts. 

Folie 2 / Film Michael 1 / Text zu Film Michael 1
„Ich wusste, zu diesem Zeitpunkt konnte Michael seine Füße noch nicht spüren. Meine Idee war, ihn an das Stehen zu erinnern. Ich habe mit meinen Händen seine Wirbelkörper von oben her neben dem siebten Halswirbel auf eine Weise nach unten geschoben, wie sie sich organisieren würden, wenn er stehen könnte. Tatsächlich bewegen sich seine Beine einwärts. Seine Füße beugen sich. Er bekommt einen Tonus von den Füßen bis nach oben. Er organisiert sich wie zum Stehen auf einem imaginären Fußboden. D. h. sein Nervensystem hat meine Impulse auf einer tiefen motorischen Ebene verarbeitet.
Er hat das selbst zu diesem Zeitpunkt noch nicht gespürt. Die Nervenbahnen, die zuständig sind für die Rückmeldung und Rückkoppelung, sind zerstört. Er musste jetzt vor allem lernen, sich wahrzunehmen.“
 

Mehr und mehr lernte Michael, sich entlang des inneren Verlaufs dieser großen nach außen hin sichtbaren Bewegungen zu spüren. Allerdings konnte er zunächst diese großen Bewegungen nicht hemmen, jedoch konnte er sie in den alltäglichen Bewegungen nutzen – er lernte wieder laufen und sein Laufen wurde immer sicherer. 

Folie 3 / Film Michael 2 / Text zu Film Michael 2
„Das gleichseitige Bein bewegt sich wie zum Stehen und dann beginnt das andere sich zu beugen. Und ich kann abwechselnd mal rechts, mal links von oben schieben. Michaels Beine bewegen sich wie beim Gehen.